Gemeinden bekommen Hilfen aus dem Rheinland

Welche Hilfe braucht seine Gemeinde jetzt nach der Hochwasserkatastrophe? Thomas Richter, Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Eschweiler, muss nicht lange nachdenken: „Einen Gutachter, der die Räume der Kita untersucht; ob das Wasser, das im Haus stand, kontaminiert war“, antwortet er.

Die Frage nach der Hilfe hat Edwin Jabs gestellt. Der pensionierte Pfarrer war vor seinem Ruhestand für die psychologischen Beratungsstellen in der Evangelischen Kirche im Rheinland zuständig. Jetzt ist er im Auftrag des Landeskirchenamtes in die Gemeinde im Kirchenkreis Jülich gekommen, um zu hören, welche Hilfe jetzt konkret gebraucht wird. Der Krisenstab der Landeskirche hat ein gutes Dutzend Pfarrerinnen und Pfarrer im Ruhestand gewonnen, die jetzt als „Maklerinnen“ und „Makler“ in die von der Unwetterkatastrophe heimgesuchten Regionen der rheinischen Kirche reisen, um Hilfsangebote und Hilfebedarf zueinander zu bringen. Die Spendenbereitschaft der Menschen in Deutschland ist groß. Nun kommt es darauf an, dass vor Ort auch das ankommt, was tatsächlich gebraucht wird. Jabs und seine Kolleginnen und Kollegen kümmern sich darum.

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Gemeinde hat zeitnah Soforthilfe an Flutopfer ausgezahlt

Richter, der auch Vorsitzender des Presbyteriums, des Leitungsgremiums der Gemeinde, ist, erzählt von der Flutnacht. Er berichtet von beherzten Menschen, die mit eilends herangeschafften Torfsäcken die historische Dreieinigkeitskirche geschützt haben. Der Pfarrer erzählt von einem jungen Bauern aus dem 40 Kilometer entfernten Monschau, der die ganze Nacht lang die Tiefgarage des gemeindeeigenen Wohnhauses, in dem auch ein Verein die Kita betreibt, mit seiner Traktorpumpe ausgepumpt hat – eine Million Liter Wasser. Thomas Richter schildert die Schlange der Menschen vor dem Gemeindehaus, denen er dank der Soforthilfe der Diakonie ein Handgeld auszahlen konnte. Auf die zweite Tranche des Geldes wartet er noch. Makler Jabs notiert sich, dass er bei der Diakonie nachhakt. Schließlich stehen viele Menschen in Eschweiler nun ohne Hab und Gut da.

Helferinnen und Helfer haben Schlamm und Wasser zügig aus der Dreieinigkeitskirche geschafft.

Steckt jetzt Heizöl in den Wänden?

Die frisch eingerichtete Jugendetage im Keller des Gemeindehauses stand 1,80 Meter unter Wasser. Ein Gutachter war schon da und hat Probebohrungen gemacht, um zu sehen, ob der Kellerboden noch zu retten ist. Helferinnen und Helfer haben Schlamm und Wasser zügig aus der Dreieinigkeitskirche geschafft. „So viele haben geholfen“, sagt Richter, „das ist toll!“ So sieht es jetzt im Kirchenschiff fast wieder so aus, als sei nichts geschehen. Trotz aller Schäden sei man mit zwei blauen Augen davongekommen. Immerhin habe man keine Todesopfer zu beklagen wie an anderen Orten. Wie die notwendigen Sanierungen finanziert werden können, müsse man sehen. Doch vorher muss erst einmal klar sein, was gemacht werden muss; deshalb die Frage nach dem Gutachter. Denn wenn zum Beispiel Heizöl mit im Wasser war, müsse vermutlich viel mehr gemacht werden.

Archiv-Akten liegen zum Trocknen in der Kirche

Verunreinigungen des Wassers bereiten auch Dagmar Leonards von der Kirchengemeinde Inden-Langerwehe Sorgen. Edwin Jabs trifft die Baukirchmeisterin im Gemeindezentrum in Inden. Dort hatte die sonst so schmale Inde große Teile des Ortes, der in den 1990-er Jahren durch die Umsiedlung für den Braunkohletagebau entstanden ist, überflutet – auch das 1998 fertig gestellte Gemeindezentrum. Der Keller stand komplett unter Wasser. Im Erdgeschoss waren es noch zehn Zentimeter. Teile des Gemeindearchivs wurden völlig durchweicht. Notdürftig gereinigt liegen die historischen Akten (Foto links) auf dem Boden des Kirchsaals – die Fußbodenheizung, die mit Fernwärme gespeist wird, läuft inzwischen wieder. Makler Jabs wird einen Kontakt zum landeskirchlichen Archiv herstellen. Möglicherweise können die Fachleute dort der Gemeinde bei der Sicherung des Bestands weiterhelfen. Auf den Bedarfszettel kommen noch Bautrockner. Die Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe hat reichlich Geräte beschafft. Acht davon werden nun in Inden gebraucht. Auch über Menschen, die jetzt Seelsorge brauchen, wird in der Runde gesprochen.

Maklerinnen halten langfristig Kontakt

Das Gemeindebüro ist inzwischen ins unversehrt gebliebene Gemeindezentrum im Ortsteil Langerwehe umgezogen. Alle Gottesdienste und Gruppen werden dort stattfinden können. Für Dagmar Leonards und Mitglieder des Presbyteriums, die beim Ortstermin dabei sind, ist das ein Segen. Bleibt die Frage nach dem Wasser: „Die Inde hat Durchfallbakterien mit sich geführt“, sagt die Baukirchmeisterin: „Jetzt muss ein Gutachter klären, ob auch Heizöl oder ähnliches drin war, das Boden und Wände verseucht haben könnte.“ Der Fachmann für die chemische und mikrobiologische Untersuchung wird am nächsten Tag kommen. Den hat Dagmar Leonards besorgt. Die ehrenamtliche Baukirchmeisterin ist Architektin am Ort und hat entsprechende Kontakte. Den lässt sich Edwin Jabs direkt geben, um ihn an Thomas Richter im nicht weit entfernten Eschweiler weiterzugeben. So läuft das Makeln. „Wir sind mit einem hellblauen Auge davongekommen“, bilanziert die Baukirchmeisterin. Dennoch wird Jabs wiederkommen und Kontakt halten – wie seine Kolleginnen und Kollegen in den anderen Kirchenkreisen und Gemeinden auch, denn: Die notwendige Sanierung ist eine längerfristige Sache – so wie die Seelsorge und Unterstützung für die anderen Flutopfer im Ort.

Text: Jens Iven/EKiR/Fotos: EKiR.de

 

Helfen mit Hand und Herz

Seite an Seite mit denjenigen, die alles verloren haben. Die diakonischen Sozialberatungsstellen in den Hochwassergebieten zahlen Soforthilfen, beraten bei Anträgen und hören zu. Sie bieten schnelle Unterstützung, um durch die ersten Wochen nach der Flut zu kommen. Dabei geht es zunächst um „Handgeld“ für passende Schuhe, eine Tankfüllung oder Medikamente.

Als das Wasser nachts in rasender Geschwindigkeit stieg, blieb keine Zeit mehr, die Schuhe anzuziehen. In Schlappen kam ein Betroffener nach der Überschwemmung seiner Wohnung in die Sozialberatungsstelle des Diakonischen Werks Bonn und Region in Swisttal-Heimerzheim. „Der Mann brauchte dringend richtige Schuhe, damit er überhaupt anfangen konnte, den Schlamm wegzuräumen“, sagt Gabriele Diener. Die Sozialarbeiterin und ihre Kollegin Christiane Reiferscheid treffen in diesen Tagen immer wieder Menschen, die alles verloren haben und denen es am Nötigsten fehlt.

Mit der Soforthilfe der Diakonie können sie unbürokratisch die dringendsten Notlagen lindern.  Da ist etwa die Frau, die mit dem Auto zur Arbeit pendeln muss und Geld für eine Tankfüllung braucht. Oder die alte Dame, der das Geld fehlt, das sie für dringend benötigte Medikamente vorlegen muss.

Schnelle, unbürokratische Hilfe

„Viele Menschen haben ihre EC-Karten im Hochwasser verloren und es gibt auch vielerorts keine Möglichkeit mehr, Geld abzuheben“, weiß die Geschäftsführerin des Diakonischen Werks Euskirchen, Nadine Günther-Merzenich. Die Diakonie in der Euskirchener Kaplan-Kellermann-Straße ist nicht vom Hochwasser betroffen und derzeit Anlaufstelle für Flutopfer aus den überschwemmten Ortsteilen der Stadt. „Den meisten Menschen sieht man an, dass sie es nicht gewohnt sind, um Hilfe zu bitten und dass ihnen das schwer fällt“, sagt Nadine Günther-Merzenich. Die Mitarbeiterinnen sprächen zunächst mit den Menschen, um sich ein Bild von der Situation zu machen. „Die Hilfe läuft dann sehr unbürokratisch“, betont sie.

Für den Haushaltsvorstand gibt es eine Pauschale von 300 Euro und für jedes weitere Familienmitglied 200 Euro. Maximal werden 1.500 Euro ausgezahlt. „Wir befinden uns in einer Phase der absoluten Not, in der schnell geholfen werden muss“, erklärt Helga Siemens-Weibring, Beauftragte für Sozialpolitik der Diakonie RWL. Deshalb könnten die Anträge auch ohne großen Aufwand „niedrigschwellig“ gestellt werden. In einer Situation, in der viele Flutopfer ihre gesamten Unterlagen verloren hätten, geschehe die Bedürftigkeitsprüfung unbürokratisch vor Ort. „Sobald es nicht mehr um akute Nothilfe geht, sondern um den Wiederaufbau, werden wir jedoch aufwendiger prüfen müssen“, sagt Helga Siemens-Weibring. „Das sind wir den Spendern schuldig.“ Bislang seien etwa eine Million Euro an Soforthilfen ausgezahlt worden.

Kontrolle zurückgewinnen

Bei der Diakonie in Euskirchen erhielten Hochwasseropfer bereits acht Tage nach der Flutnacht die ersten Soforthilfen. Insgesamt wurden dort innerhalb von rund einer Woche 30.000 Euro ausgegeben. Die Geschäftsführerin und ihre Kolleginnen erleben immer wieder bewegende Szenen, wenn sie Betroffenen die Soforthilfe in die Hand drücken. „Die Menschen sind unglaublich dankbar, dass sie mit dem Geld erstmals wieder selbst etwas einkaufen können.“ Viele, die im Hochwasser alles verloren, seien seitdem ausschließlich auf die Versorgung in den Notunterkünften angewiesen gewesen.

„Die Menschen haben ja durch das Hochwasser oft völlig die Kontrolle über ihr Leben verloren“, weiß Nadine Günther-Merzenich. Da sei es für die Betroffenen oft schon ein Lichtblick, etwas Bargeld zu haben, um etwa ein paar Lebensmittel oder Schaufeln zum Aufräumen des Hauses zu kaufen. „Schon 100 Euro können in dieser Situation für die Menschen einen großen Unterschied machen“, berichtet auch Gabriele Diener aus der Heimerzheimer Beratungsstelle.

Nadine Günther-Merzenich beobachtet, dass die Betroffenen häufig überrascht über die unkomplizierte Soforthilfe bei der Diakonie seien. Viele kämen in die Geschäftsstelle, um sich nach Anträgen auf Hilfe etwa beim Land oder anderen Hilfsfonds zu erkundigen. „Dass sie dann bei uns nicht nur Unterstützung mit den Anträgen bekommen, sondern am Ende mit Geld in der Hand wieder rausgehen, ist für viele ein Lichtblick.“ Außergewöhnlich an der Situation sei, dass durch die Soforthilfe viele Menschen erstmals überhaupt Kontakt zur Diakonie hätten. „Dass Menschen Diakonie hier als einen starken Partner und als aktive Hilfe erleben, das finde ich ein tolles Zeichen.“

Mehr als eine Ausgabestelle 

Doch nicht alle Menschen finden den Weg in die Geschäftsstelle in Euskirchen. Teilweise fahren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch zu den Menschen, um Sachgüter zu verteilen wie zum Beispiel Kabeltrommeln, Werkzeug oder Putzutensilien. „Menschen, die irgendwo abgeschnitten ohne Telefon in den Dörfern sitzen, können nicht wie früher eben mal in den Baumarkt fahren“, erklärt Nadine Günther-Merzenich. Die Diakonie sei aber weit mehr als eine Ausgabestelle für Soforthilfen, sagt sie. „Viele Menschen haben auch das Bedürfnis zu reden.“

Die Mitarbeiterinnen hören immer wieder dramatische Erlebnisse. Da retteten sich Familien in letzter Minute aufs Dach. Andere saßen verzweifelt im Fensterrahmen und warteten auf Hilfe. „Wir sind eine Mischung aus Seelsorge und Finanzhilfe“, sagt auch die Swisttaler Sozialberaterin Christiane Reiferscheid. Neben den materiellen Problemen sei vielen Betroffenen ihre Zukunftsperspektive weggebrochen. „Bei vielen droht der Verlust des Arbeitsplatzes.“ Da sei etwa die junge Frau, die in einem Altenheim an der Ahr gearbeitet hat. Niemand weiß, ob es für das überschwemmte Haus eine Zukunft gibt.

Auch viele Geschäfte seien durch die Flut so zerstört, dass oft unklar sei, ob sie je wieder öffnen werden. „Ein weiteres Problem ist der Mangel an Wohnungen“, betont weiß Gabriele Diener. Die beiden Beraterinnen kennen viele Menschen im Ort und versuchen zu helfen, indem sie Informationen sammeln und Netzwerke knüpfen.

Text: Claudia Rometsch, Diakonisches Werk

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